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Echo Lifetime Award für Klaus Doldinger

Am 12. Mai ist Klaus Doldinger 60 Jahre alt geworden. Als Musiker, Bandleader und Komponist hat er deutsche und internationale Jazzgeschichte geschrieben und gleichzeitig mit seiner Film-, Fernseh- und Bühnenmusik internationale Standards für niveauvolle U-Musik gesetzt. Zum Geburtstag erhielt er die Goldene Schallplatte für seine Musik zum Film Das Boot; sein Geburtstagsjahr ist gleichzeitig das 25jährige Jubiläum seiner legendären Band Passport.

Doldinger hat rund 2000 Musikwerke bei der GEMA und er ist seit vielen Jahren in zahlreichen Funktionen, seit 1990 auch im Aufsichtsrat, aktiv für die GEMA und für seine Musikerkollegen tätig.

von Folkhard Oelwein


Das hatte es im ehrwürdigen barocken Asamsaal der oberbayerischen Domstadt Freising bis zu diesem März des Jahres 1963 noch nicht gegeben: Auf der Bühne eine Hammondorgel, über die der junge Jazzorganist Ingfried Hofmann wie ein Tiger herfiel, seine Bebop-Phrasen buchstäblich aus den Registern riß und auf dem wütenden Stakkato seiner lautstarken Akkorde ins erstarrte Publikum wirbelte.

Blues for you hieß jenes grandiose Schlachtfest des Hard Bop, und neben der Hammondorgel stand in fast unpassend diskreter Körperhaltung ein schlanker blonder Jüngling, dem man die unglaublich drängenden, explosiven und zugleich voluminösen Tenorsaxophonchorusse gar nicht zugetraut hätte, mit denen er das von Ingfried Hofmann aus den Eingeweiden der Orgel getretene atemlose Chaos auffing, Strukturen aufblitzen ließ und auf seinen herzfaserdurchzogenen blutwarmen Sound bettete: Das schwärzeste "weiße" Saxophon der 60er Jahre.

31 Jahre danach höre ich das gleiche Saxophon wieder in einem oberbayerischen Städtchen. Diesmal ist es das rotverplüschte Stadttheater von Weilheim, das den Weilheimer Theatersommer 1994 feiert, und wiederum steht der Saxophonist - älter geworden, natürlich, aber schlank geblieben - in der gleichen diskret zurückgenommenen Körperhaltung auf der Bühne - diesmal neben Cordula Trantow, die Gedichte von Benn, Tucholsky, Kästner und Brecht liest, und unser Saxophonist hört konzentriert zu, bis er dann den Versen mit Bebop-Stakkatos entgegenläuft, oder in langen empfindsamen Moll-Bögen weiterschwingen läßt, bis sich Lyrik und Jazz vor den begeisterten "Hochzeitsgästen" im Zuschauerraum vermählen.

Zwischen diesen beiden Begegnungen liegt eine Musikerkarriere von ganz seltener Spannweite, eine Karriere, die diesen Musiker fast um den ganzen Globus geführt und seine Melodien in Jazzkeller, Konzertsäle, Theater, Ballettbühnen, Kinos und Fernsehzimmer in aller Welt getragen hat: Die Karriere des Saxophonisten, Klarinettisten, Pianisten, Bandleaders, Arrangeurs und Komponisten Klaus Erich Dieter Doldinger, der am 12. Mai seinen 60. Geburtstag feierte.

Der gebürtige Berliner Doldinger, für den Musik immer und vor allem eine "emotionale Sache" geblieben ist, bekommt seine ersten ihn prägenden musikalischen Stromstöße in einer für die meisten Jazzer nicht üblichen Umgebung: Am Düsseldorfer Robert Schuman Konservatorium, das er neben der Schule besucht und an dessen hervorragende Lehrer - insbesondere der Klarinettenlehrer Hesse - er sich heute noch dankbar erinnert.

Dann aber elektrisiert ihn Sidney Bechet, den er zum erstenmal bei einem Konzert in Amsterdam hört, reißt ihn das legendäre Tenorsaxophon von "Lucky" Thompson vom Sitz, und bald darauf spielt er bereits als Klarinettist bei den Düsseldorfer Feetwarmers, der besten traditionellen Jazzband im Deutschland der fünfziger Jahre.

Doch Klaus Doldinger will mehr, er will tiefer in den Jazz hinein und musikalisch direkter, persönlicher und enger ans Publikum, als es der damals schon geglättete traditionelle Jazz erlaubt, er läßt die geschmeidigen, kühlen und modisch-intellektuellen Klänge eines Lee Konitz und Stan Getz links liegen, stößt ins rauhfaserige warme Herz des Blues, in die Atemlosigkeit des Bebop und Hard Bop vor, spielt in den sechziger Jahren bereits mit amerikanischen Assen wie Kenny Clarke und Ron Ellis und als Altsaxophonist beim Roland Kovac Quintett und in der Werner Giertz Combo.

Mit der Gründung des Klaus Doldinger Quartetts im Jahre 1962 und im jahrelangen Zusammenspiel mit Ingfried Hofmann entwickelt er auf seinem Tenorsaxophon einen so "schwarzen" Sound, daß ihn amerikanische Jazzkritiker aufgrund zugeschickter Tonbänder als "Schwarzen Tenorist von der Southside Chicagos" identifizieren, wie sich Jazzpapst Joachim Ernst Berendt erinnert.

Dieser Sound war im Deutschland des Cool Jazz zwar nicht "in", aber deutlich und unverwechselbar. Bereits im Gründungsjahr konnte das Klaus Doldinger Quartett seine erste Schallplatte Bossa Nova veröffentlichen, und 1963 produziert Siggi Loch, mit dem Doldinger bis heute eng verbunden ist, das erste Doldinger-Album: Doldinger: Jazz Made in Germany, veröffentlicht in zwanzig Ländern.

1964 folgen dann die erste Auslandstournee im Auftrag des Goethe-Instituts, die ersten Rhythm & Blues-Produktionen, und sieben Jahre später bereits schreibt Doldinger deutsche und internationale Jazzgeschichte: Er gründet die heute sowohl legendäre als auch quicklebendige Gruppe Passport, die im gleichen Jahr schon ihr erstes Album veröffentlicht - ein Vorläufer von 23 weiteren Alben, die mit dem jetzt veröffentlichten neuesten Werk Passport to Paradise einen erfrischend innovativen, mit südafrikanischen Elementen gekreuzten Höhepunkt erreichen und gleichzeitig mit Doldingers 60. Geburtstag das 25jährige Jubiläum der Formation Passport krönen.

Weder Doldinger noch Passport haben sich je um stilistischen oder inhaltlichen Purismus gekümmert. Ob Jazz, Rock, oder Jazzrock, ob Quartett oder - wie gerade eben - Septett, Hauptsache bleibt: Musik nach außen tragen, hautnah auf die Hörer spielen - Blues for you! Und Doldinger selbst - welcher Kinobesucher oder Fernsehgucker weiß das nicht - hat sich weder innerhalb des Jazz noch auf den Jazz selbst festnageln lassen.

Im Jahre 1964 bereits komponiert Klaus Doldinger für Werbefilme, 1967 folgt der erste erfolgreiche Doldinger-Trailer zur Einführung des ARD-Farbfernsehens. 1974 geht Doldinger erstmals mit Passport auf USA-Tournee - und arbeitet gleichzeitig zum ersten Mal mit dem Regisseur Wolfgang Petersen beim Film Einer von uns Beiden zusammen.

Ein Jahr darauf katapultiert ihn sein Album Cross Collateral in die amerikanischen Charts, zwei Jahre später erhält er das Bundesverdienstkreuz als "international akzeptierter Botschafter für Musik aus Deutschland", 1981 erhält Passport zum zweiten Mal den deutschen Schallplattenpreis, und - Luft holen! - im gleichen Jahr komponiert Doldinger die Filmmusik für Das Boot, mit der er seinen Weltruhm in der U-Musik etabliert und für die er im Jahr darauf den dritten deutschen Schallplattenpreis erhält und jetzt zum 60. Geburtstag die Goldene Schallplatte entgegennahm.

Warum Doldinger mit seiner Musik zu Das Boot, Die unendliche Geschichte, Ich und Er, Salz auf unserer Haut, Bis zur bitteren Neige, Liebling Kreuzberg oder Wolffs Revier die niveauvollsten Ohrwürmer der deutschen Film- und Fernsehgeschichte geschrieben hat, warum ein gespenstisch-düster auftauchendes U-Boot untrennbar mit Doldingers Titelmusik zu Das Boot verbunden ist, warum seine Musik zu Liebling Kreuzberg Synonym für Berliner Schnauze und Hinterhöfe ist, die magische Deckungsgleichheit zwischen Musik und filmischem Werk also - das liegt einerseits am nicht zu kategorisierenden musikalischen Genius, hat aber auch meßbare Gründe.

Die konsumfreundliche Leichtigkeit der Melodien seiner filmischen Musik entsteht nicht trotz, sondern wegen Doldingers Wurzeln im Jazz: "Ich schaue mir vor dem Komponieren die Videobänder der Produktionen an, und nur durch die mit der Jazzmusik erworbene musikalische Spontaneität habe ich die Möglichkeit, direkt und sekundenschnell auf atmosphärische Nuancen zu reagieren. Sogar die Begegnung mit lyrischen Texten ist dadurch möglich." Der Jazz ist es auch, der ihn Hörspiele, Theater und sogar Ballett erwittern und musikalisch umsetzen läßt: Er hat mit Lester Wilson an Pas de deux gearbeitet, mit Margot Werner musiziert, die Erstaufführung von Hello Dolly am Düsseldorfer Schauspielhaus musikalisch gestaltet und seinen Jazz sogar mit synfonischer Musik gekreuzt.

Ein zweiter meßbarer Grund für die verführerische Eindringlichkeit von Doldingers U-Musik ist sein enges Verhältnis zur Technik. "Ich habe 1959 Tonmeister studiert, immer Interesse für die Möglichkeiten elektronischer Instrumente gehabt, wollte den Tonregler selbst in die Hand nehmen." 1978 bereits baut Doldinger in seiner Wahlheimat Icking am Starnberger See sein eigenes Soundport-Studio auf und veröffentlicht 1983 sein erstes vollelektronisches Album Constellation.

Zum Jazzfeeling und Technikverständnis kommt noch die breitgefächerte Sensorik, die Doldinger bei fast 2000 Konzerten in rund 50 Ländern für die unterschiedlichsten Musikformen und deren Verwendung entwickelt hat. Er hat sich im Ausland nie allein auf seinen Auftritt beschränkt, sondern wollte "immer die ethnischen Möglichkeiten der Musik ausloten - von der nordafrikanischen und indischen bis zur fernöstlichen oder südamerikanischen Musik." Doldinger hat brasilianische Musik gespielt oder - wie in Passport to Paradise - afrikanische Rhythmen verwendet: Seine Musik hat in vielen musikalischen Kulturen Signalwirkung erworben und ist international spontan verständlich.

Und da ist schließlich sein nahezu berstendes Bedürfnis nach musikalischer Kommunikation mit jedem, der Musik hören will - und seine (das große Wort sei in diesem Zusammenhang einmal erlaubt) künstlerische Moral, wenn er Film- oder Bühnenwerke musikalisch umsetzt. Doldinger wirft diesen Werken kein Netz über, sondern fühlt sich ausschließlich als Interpret. Originalton Klaus Doldinger: "Ich bin hier in einer dienenden Funktion, ich muß werkgerecht arbeiten."

Ein einsamer Artist auf dem Hochseil ist er deshalb nicht geworden. Er mag seine Musiker, reist gern mit ihnen - und kennt das harte Musikgeschäft in angelsächsischen Ländern, "wo die Industrieinteressen im Vordergrund stehen, während in Deutschland und Mitteleuropa noch der Musikautor eine wesentliche Rolle spielt". Damit dies insbesondere auch finanziell so bleibt, engagiert sich Doldinger bei der GEMA nachhaltig für seine Musikerkollegen: "Die GEMA gibt dem Künstler die Möglichkeit, durch Übernahme von Ämtern gegenüber seinen Kollegen für Verteilungsgerechtigkeit zu sorgen, und ich betrachte meine GEMA-Ämter und die Arbeit dafür als selbstverständlichen Tribut, den ich meinen Kollegen zolle." Von 1984 bis 1991 war Klaus Doldinger stellvertretendes Mitglied des Wertungsausschusses der Komponisten in der Sparte Tanz- und Unterhaltungsmusik, seit 1991 ist er stellvertretendes Mitglied der Verteilungsplankommission der Komponisten, 1990 wurde er in den Aufsichtsrat gewählt und nimmt als Delegierter des Aufsichtsrates an den Sitzungen der Schätzungskommission der Bearbeiter teil.

"Der Bedarf an Musik wird immer größer; auch die Medien kommen ohne Musik nicht mehr aus, sie ist von der Zutat zum Hauptbestandteil geworden, und gerade deshalb muß der Musikautor im Vordergrund stehenbleiben", bekräftigt Doldinger sein Engagement.

Daß der "Hauptbestandteil" Musik immer vom Hauptbestandteil Jazz leben wird, daran läßt Doldinger keinen Zweifel. "Jazz wird immer bestehen, solange es Jazzmusiker gibt, ob in verräucherten Kellern oder im Konzertsaal, Jazz ist an keine Umgebung gebunden. Und der Jazz hat auch die populäre Musik unserer Tage in Bewegung gebracht. Ob Techno, Acid oder Hip Hop - vom Jazz zehren alle, und wenn auch nur als simplifizierte Neuauflage von dem, was war, als Minimal Art, sozusagen. Eine gute Komposition hat immer Bestand."

Daß Doldingers Familienleben mit Frau und drei Kindern trotz der vielen Tourneen, Konzerte und Verpflichtungen nicht auch zur "Minimal Art" verkümmert, verdankt er dem Tonstudio im eigenen Haus. Er betrachtet dies als Privileg, genau so wie seinen "Heimathafen" Bayern, der ihm die Möglichkeit zum Skilaufen, Windsurfen und Radeln vor der Haustüre gibt.

Und wenn Doldinger dann noch von den Büchern erzählt, die er gerade "nebenbei" liest ("Manfred Krugs Abgehauen, Buchheims Festung und viel moderne amerikanische Literatur"), dann glaubt man, daß Musik für ihn "Entstehung und Austausch von Energie ist, emotional, inspirierend - wie eben der Jazz."

Vor zwei Jahren hat er mit amerikanischen Jazzern ein Album in New York produziert: Street of Dreams - Doldinger in New York. Vergangenes Jahr wurde er damit wiederum für den Deutschen Schallplattenpreis nominiert, und dieses Jahr, zu seinem Geburtstag, hat er den Echo Lifetime Award erhalten. Doch weder diese jüngsten Erfolge noch seine rund 2000 Musikwerke bei der GEMA sind für ihn Anlaß zum Rückblick aus Lehnstuhlperspektive. Klaus Doldinger drängt weiter nach vorn, wie der Jazz: Er möchte Passport mit einem Synfonieorchester zu einer gemeinsamen Aufführung koppeln, er träumt von einem guten Libretto und einem noch besseren Produzenten für ein Musical. Was daraus auch immer entstehen mag - es wird Blues for you!

GEMA-Nachrichten •Ausgabe 153 • Juli 1996 • Seite 23 bis 25