Rainer/Myrleans/Matthias Fan-FictionFolge 11 (Rainer) |
E-MAIL: Rainer - Hamburg
Die Sonne schien immer noch gnadenlos. Bastian schwitzte. Deshalb versuchte er sich Zeit zu lassen. Wie lange er bereits hier herumirrte konnte er nicht sagen. Er war schon froh, wenn er sich nicht verlief. Nach einer ganzen Weile, Bastian konnte nicht sagen ob es dreißig Minuten oder drei Stunden gewesen waren, erreichte er wieder grünes Gebiet. Hier, an der Grenze zur Steinwüste, sollte er nach den Früchten Ausschau halten. Doch während er sich umsah, machte er eine viel bedeutendere Entdeckung. Zwischen Bäumen und Gestrüpp klaffte ein riesiges, dunkles Loch. Bastian ging darauf zu und bemerkte, dass es der Eingang zu einer riesigen Höhle sein musste. Der Eingang hatte Ähnlichkeit mit dem Maul eines Raubtieres, das seine Zähne überdurchschnittlich weit auseinandergerissen hatte. An der Decke hingen spitze Tropfsteine, die aussahen wie Fangzähne. Neugierig schlich sich Bastian ins Halbdunkel und hielt inne. Irgendwie kam ihm etwas bekannt vor. Nach einer Weile in der Dunkelheit fiel ihm brockenweise ein, was es mit der Höhle auf sich hatte. Bastian erschrak darüber so sehr, das er so schnell er konnte hinausrannte. Er hatte das fehlende Stück in der Geschichte der Kindlichen Jäger gefunden. Leo! Natürlich kam ihm alles bekannt vor! Er hatte davon geträumt. Leos merkwürdiges Verschwinden. Er war diesen Weg gegangen. Alle Kindlichen Jäger mussten ihn auch gehen. Da war sich Bastian sicher. Argos hatte Recht behalten. Er würde davon träumen, wie er die Jäger aus ihrer feststeckenden Geschichte befreien konnte. Und es war bereits geschehen. Zufrieden machte sich Bastian wieder auf den Weg, weiter nach den Früchten zu suchen, die Pascal ihm beschrieben hatte. Ein paar Büsche hatte er auch schon auf dem Hinweg zur Schlucht gesehen. Er sollte keine bitteren grünen Beeren pflücken. Bastian interessierte sehr, was es damit auf sich hatte. Nach einer Weile fand er wieder einen Strauch, der die eigentümlichen, grünen Früchte trug. Er kostete – bitter. Alle Früchte waren wie unberührt und absolut perfekt gewachsen. Nicht mal die Tiere schienen sie zu mögen. Bastian suchte den nächsten Strauch. Er kostete hier und da. Überall schmeckten die Beeren bitter. Bastian hatte langsam keine Lust mehr diese Beeren zu probieren. Man bekam davon nicht nur einen merkwürdigen Geschmack im Mund, sondern auch rauhe Zähne. Bastian hatte wieder einen Beerenstrauch gefunden. Auch hier waren alle Früchte unberührt. ‚Ein letztes Mal werde ich es versuchen.‘ dachte er bei sich. Diese Beeren schmeckten tatsächlich anders. Süsslich und irgendwie harzig – Bastian fiel es schwer den Geschmack zu beschreiben. Es gab nichts vergleichbares in der Menschenwelt. Bastian hielt sich nicht lange auf. Er pflückte die Beeren gleich doldenweise in den Beutel, den Pascal ihm mitgegeben hatte. Ab und zu kostete er noch. Doch mit dem Geschmack konnte er sich nicht anfreunden. Aber warum sollte er den Kindlichen Jägern keinen Gefallen tun? Immerhin war er gut bei ihnen untergekommen. Aber entweder litten sie an Geschmacksverirrung – oder die Beeren dienten einem ganz bestimmten Zweck. Hatte Pascal ihm nicht geraten, nicht zuviele davon zu naschen? Der Beutel füllte sich langsam. Doch ein Strauch reichte dafür nicht. Es bedurfte noch einiger Versuche, um soviel zu finden, das das Sammelgefäß richtig voll wurde. Schließlich war es soweit. Bastian machte sich auf den Heimweg. Er merkte nicht, das etwas mit ihm geschehen war. Auch die Kindlichen Jäger wussten nicht, das es Stärke-Beeren waren, die alles was derjenige tat, der sie aß, leicht und in gutem Licht erscheinen ließen. Die Wirkung setzte bereits ein, als Bastian die letzten Sträucher aberntete. Er fand nichts besonderes daran, das ihm diese Tätigkeit zum Schluß immer mehr Spaß machte. Vorher hatte er das Sammeln noch als stupide und langweilig empfunden. Er fühlte sich frei und energiegeladen und alle Schmerzen waren wie weggeblasen. Bastian fing an zu laufen und freute sich, wie schnell und ausdauernd er war. Nach einer Weile kam ihm dies schon völlig normal vor. Er sprang übermütig hoch, um von den Bäumen ein paar Zweige abzubrechen und er wunderte sich nicht mal mehr, mit wie wenig Kraftanstrengung er plötzlich wahre zwei Meter hoch springen konnte. Doch es war nur die Wirkung der Beeren, die eine Illusion auf Kosten Bastians erzeugten. Zum Glück hatte er keinen weiten Weg vor sich. Sonst wäre er solange gelaufen, bis er tot umgefallen – oder die Wirkung der Beeren nachließ. Schließlich erreichte er wieder den Lagerplatz der Kindlichen Jäger. Er war der letzte Zurückkommende und er musste sich gewaltig verspätet haben. Die Kinder hatten reichlich Beute gemacht und das abendliche Essen wurde vorbereitet. Bastian suchte Pascal, dem er den Beutel mit den Beeren geben wollte. Doch plötzlich sah er etwas, das ihn erstarren ließ. „Rieka!“ schrie er entsetzt. „Ihr habt ... nein!“ Blitzschnell war er zu dem Tier hingerannt und kniete nieder. Es war tatsächlich das weiße Einhorn, welches mit toten, offenen Augen im Gras lag. Ein paar Blutstropfen am linken Schulterblatt und ein tiefer Schnitt durch die Kehle bezeugten, das das Tier von den Kindlichen Jägern erlegt worden war. Verwundert kam einer von ihnen näher. „Was hast du, Bastian? War übrigens eine gute Idee von dir, mal wieder was Größeres zu jagen.“ sagte Ibo. Die anderen kamen näher. Pascal war auch dabei. „Was?“ murmelte Bastian halblaut „Wie konntet ihr bloß Rieka töten? Gab‘s nichts anderes? Sie war so - ...“ Bastian konnte nicht weitersprechen. Er hockte sich vor Rieka hin, schlug die Hände vor‘s Gesicht und schluchzte. Die Tränen rannen ihm aus den Augen. Und doch versuchte er alles zu unterdrücken. Denn ein Erwachsener weint eben nicht laut. Er wollte nicht mehr hier sein. Der Beerenrausch war verflogen. Die Kindlichen Jäger standen hinter ihm und wussten nicht, was sie tun sollten. Warum vergoß Bastian so bittere Tränen über ihre schönste Trophäe, auf die sie alle stolz waren? Rieka hatte es ihren Jägern nicht leicht gemacht. Daher empfanden sie ihre Beute als gerecht erkämpft. Das Nahrungsproblem schien damit für die nächsten Tage gelöst zu sein. „Was ist mit dir los, Bastian?“ fragte Pascal etwas streng. „Wer ist Rieka? Wieso heulst du so um dieses Einhorn?“ „Einhorn...“ wiederholte Bastian mit tränenerstickter Stimme „Man tötet doch kein Einhorn!“ „Wieso nicht? Wir haben es doch nicht zum Spaß getan. Sein Fleisch wird uns die nächsten Tage ernähren. Seine Haut und sein Fell können wir auch gut gebrauchen. Und sein Horn wird uns immer an diese gute Jagd erinnern.“ Bastian hatte genug. Aus seinem tiefsten Inneren stieg eine furchtbare Wut auf die Kindlichen Jäger auf. Er musste sofort hier weg. Sonst passierte noch ein Unglück. Bastian wusste, das er nicht gleichzeitig gegen alle Jäger kämpfen konnte. „Ich hasse euch! Ihr seid alle Idioten!“ schrie Bastian wie wahnsinnig, sprang auf und rannte weg. Die Kindlichen Jäger waren so erstaunt und eher amüsiert, das niemand daran dachte Bastian hinterherzulaufen. Irgendwann würde er sich schon beruhigen, dachten sie sich. Wahrscheinlich war es sogar besser das Bastian weg war. So bekam er nicht mit, wie Rieka schließlich gehäutet, ausgenommen und aufgeteilt wurde. Bastian erreichte unbehelligt den Waldrand. ‚Weg, nur weg von hier!‘ Er lief und lief – bis er nicht mehr konnte. Schließlich blieb er stehen. Ein leises Hecheln hinter ihm kam näher. Bastian drehte sich um. Es war Argos. „Es sind Jäger.“ sagte er, bevor Bastian etwas von sich geben konnte. Doch der schwieg weiter. Argos hatte große Angst. Wenn Bastian die Kindlichen Jäger jetzt verließ, dann war auch seine Mission umsonst gewesen. Die Geschichte würde erneut stehenbleiben und irgendwann als gefrorenes Bild in den Stollen mit den verlorenen Geschichten enden. So, wie sie jetzt war. Argos ließ sich hinter Bastians Rücken nieder und zog es ebenfalls vor zu schweigen. „Man tötet doch kein Einhorn.“ sagte Bastian nach einer ganzen Weile. Seine Tränen waren versiegt, doch er empfand immer noch tiefe Trauer über den Tod seiner frischen Bekanntschaft. „Sie sind so selten. Sind es nicht magische Tiere? Dann trifft man mal eines – und dann wird es gleich von irgendwelchen Idioten abgeschlachtet.“ Argos horchte auf. Hatte er da nicht eine Frage herausgehört? Doch Argos wusste kaum was er dazu antworten sollte. Schießlich war er in seinem tiefsten Inneren auch ein Räuber, der töten musste was er zu verspeisen gedachte. „Magisch?“ Argos überlegte lange, bevor er weitersprach. „ Vergiß niemals wo du dich befindest.“ „In Phantásien.“ antwortete Bastian ohne sich umzudrehen. Argos sprach weiter. „In Phantásien sind sich alle Wesen gleichwertig. Es gibt nichts besseres und nichts schlechtes. Auch die Kindlichen Jäger sind mit dem Einhorn gleich. Für die einen ist es die Jagdbeute, für das andere ein vollendetes Schicksal.“ „Schicksal.“ murmelte Bastian leise. Er drehte sich um, damit er dem Köter genau in die Augen sehen konnte. „Ich habe Rieka getroffen, als ich zur Schlucht ging. Sie hatte eine bemerkenswerte Lebenseinstellung und sie hat auch über ihr Schicksal gesprochen. Aber das muss doch nicht alles so schnell passieren?!“ „Bastian, laß dich doch nicht von solchen Kleinigkeiten dermaßen runterziehen! Du hattest Sympathie für Rieka. Aber denke auch an die Kindlichen Jäger. Du hast ihnen selbst vorgeschlagen, wieder etwas großes zu jagen. Du hast ihnen damit sehr geholfen, das ihre Geschichte weitergeht. Es fehlt nur noch ein kleines Stück und sie sind wieder frei!“ Argos wusste nicht, welche Erkenntnisse Bastian an der Schlucht bekommen hatte. „Vielleicht war es Riekas Schicksal für die Kindlichen Jäger zu sterben?“ „Nun bin ICH auch noch daran Schuld?“ versetzte Bastian. „Ihr Tod war nicht umsonst. Ihr Fleisch wird die Jäger ernähren und ihr Fell wird sie wärmen. Und auch du wirst bald Hunger bekommen.“ gab Argos zu bedenken. „Ich? Du glaubst doch wohl nicht im Ernst, das ich einen Bissen von dem Einhorn anrühren werde?“ - „Bastian, du hast die Jäger schon fast aus ihrer feststeckenden Geschichte befreit. Bitte bringe wenigstens DU zu Ende, was andere nicht für nötig hielten. Sonst war alles umsonst!“ In Argos Stimme lag Verzweiflung. Der Köter war am Ende. Wenn Bastian nicht von allein zu den Kindlichen Jägern zurückkehrte, dann konnte er auch nichts mehr tun. Argos drehte sich um und lief in Richtung des Lagers zurück. Bastian war allein. Im Grunde war es das was er wollte – Alleinsein. Er dachte nach. Argos und Opuis Worte schwirrten ihm im Kopf herum. Die Wirkungen der Grünen Beeren hatte er längst vergessen. Den Beutel mit diesen Früchten hatte er irgendwohin gelegt, als er zu Rieka stürzte. So sehr es Bastian auch drehte und wendete. Eigentlich hatte Argos Recht. Und halbe Sachen wollte Bastian nicht zurücklassen. ‚Nun sagt mir schon ein Hund, was gut für mich ist.‘ sinnierte Bastian. Er atmete tief ein. Mit einem leisen Seufzer trat er den Rückweg an. Die Sonne war am untergehen und im Schatten wurde es merklich kühler. Die Kinder hatten das Feuer gerade neu entzündet, als Bastian wieder eintraf. Alle hatten sich rundherum niedergelassen. „Na, so groß war der Haß wohl doch nicht?“ bemerkte Dirk spitz. Bastian vermied es die Kinder anzusehen und brummte laut, aber undeutlich „N‘schuldigung...!“ . Er setzte sich etwas abseits der anderen ebenfalls an die Feuerstelle und war froh das ihn irgendetwas wärmte. Eine ganze Weile hielt er den Kopf gesenkt, bis er schließlich verstohlen in die Runde blickte. Er bemerkte das Noah wieder da war, der allerdings einen niedergeschlagenen Eindruck machte. Trotzdem war dessen Rückkehr das erste Ereignis über das sich Bastian freute. „Noah, schön das du wieder da bist.“ sagte Bastian. Der Angesprochene blickte kurz hoch, warf ihm einen vielsagenden Blick zu und brummte leise „Wenn du wüsstest!“ Nach einer Weile erzählte er, was ihm widerfahren war. Er hatte die Spur des Fremden schon in der ersten Nacht verloren und merkwürdige Dinge beobachtet, die ihn an seinem Verstand zweifeln ließen. Er hatte den Fremden schreien hören, so, als fände ein Kampf auf Leben und Tod statt. Doch er konnte am nächsten Morgen keine Spuren eines Kampfes entdecken. Stattdessen war der Fremde spurlos verschwunden. Eine neue tierähnliche Spur führte vom Nachtlager des Fremden weg und endete abrupt. Als hätte das Wesen das sie hinterließ sich in Luft aufgelöst. „Was war das für eine Spur?“ wollte Bastian wissen. Noah malte mit den Fingern einen Pfotenabdruck in die Erde. „Hm,“ meinte Bastian „sieht aus wie von einer Katze.“ „Ja, aber von einer ziemlich großen Katze. Es muss schon so etwas wie ein Löwe gewesen sein.“ fügte Noah hinzu. „Und wenn dieser Kerl nun von einem Löwen gefressen wurde?“ wagte Bastian zu vermuten. „Dann müsste es Reste geben. Blut, zerfetzte Sachen, Kampfspuren. Aber da ist nichts. Ich glaube fast, das sich der Typ in einen Löwen verwandelt hat. Aber warum dann die Spuren plötzlich enden? Als ob er weggeflogen ist.“ sagte Noah. „Vielleicht ist er das?“ merkte Bastian an. „Nein, Löwen können nicht fliegen!“ sagte Noah energisch. „Und wenn es gar kein Löwe war?“ „Es muss ein Wesen sein, das keiner von uns je gesehen hat. Und weil keiner von uns weiß, wie es aussieht und wie gefährlich es ist, bin ich zurückgekommen. Ich bin doch nicht lebensmüde!“ schloß Noah seinen Bericht. „Wir müssen dringend von hier verschwinden.“ meldete sich Pascal zu Wort. „Wenn es wirklich derjenige ist, den wir auf Bastians Wunsch wieder freigelassen haben, dann weiß keiner ob er vielleicht zurückkommt. Vielleicht will es sich ja rächen? Und denkt dran, es ist nicht das erste Mal, mit solchen Idioten.“ - „Früher hatten die aber immer Menschengestalt.“ merkte Dirk an. Bastian war erstaunt, das dieser überhaupt seinen Kommentar abgab. Es war deutlich zu spüren, ds dies alle sehr belastete. Bastian wusste nicht recht, ob er von seinen Erlebnissen an der Schlucht berichten sollte. Vielleicht kamen sie ja dadurch auf andere Gedanken. Schließlich konnte er sich nicht mehr beherrschen und fing von alleine an. „Ich war heute bei der Schlucht ohne Wiederkehr.“ „Ganz alleine? Und dann bist du wieder hier?“ Offenbar hatte er ihr Interesse geweckt. Bastian erzählte nicht alles. Die Unterhaltung mit Rieka und Opui ließ er aus. Nachdem er geendet hatte herrschte Stille. Ab und zu legte einer ein paar Äste ins prasselnde Feuer und einige der Kinder hatten angefangen zu essen. Das brachte Bastian darauf zu fragen. „Habt ihr die Beeren gefunden?“ „Welche Beeren?“ „Ich muss den Beutel bei Rieka liegengelassen haben.“ sagte Bastian. „Ach so, ja, den haben wir gefunden.“ Es war Ibo, der es bestätigte. Bastian drehte sich um und bemerkte ein eigentümliches Grinsen auf dessen Gesicht. „Dann hast du die Beeren probiert?“ fragte Annika. „Ja.“ antwortete Bastian „Die schmecken absolut scheußlich. Was habt ihr bloß an denen?“ „Keine Ahnung.“ meldete sich Dinka zu Wort „Aber die Jungs scheinen sie ja zu mögen.“ Die Genannten fingen daraufhin an, vielsagend zu grinsen. „Bastian – Bastian.“ sagte eine besorgte Stimme. Es war Argos, der sich unbemerkt hinter Bastian niedergelassen hatte. „Du hast ihnen tatsächlich Grüne Beeren mitgebracht.“ sagte Argos vorwurfsvoll. „Wieso? Pascal hat mich darum gebeten.“ gab Bastian zurück. „Sie erzeugen bei dem, der sie isst, eine Illusion, die manche Gelehrte auch als ‚goldene Verstimmung‘ bezeichnen.“ Bastian sah Argos erstaunt an. Doch der hatte Schwierigkeiten Bastian zu erklären, dass diese Beeren im Grunde eine Gefahr darstellten. „Bastian. In deiner Welt gibt es bestimmt auch so etwas.“ „Drogen?“ Bastian lachte kurz. Doch woher sollte Argos wissen, was Bastian unter Drogen verstand? Ein getrockneter Strauch Kamille ist im Sprachgebrauch der Apotheker ja auch eine Droge. „Sie sagen, die Bitteren soll man nicht essen. Das ist wohl war. Die Bitteren haben die Wirkung, die Illusion unverwundbar zu sein, zu erzeugen. Die ‚süßen‘ Grünen erzeugen nur ein Glücksgefühl und lassen alles was du tust leicht und in einem guten Licht erscheinen.“ „Schön.“ sagte Bastian in einem Anflug von Sarkasmus. „Und warum weiß ich davon nichts mehr?“ „Das ist auch eine Wirkung der Beeren. Oder besser, wenn die Wirkung nachlässt. Nachher vergisst man, wie es war, manchmal auch alles, was man in ihrem Einfluss erlebt hat. Aber wie die Beeren nun auf das Erinnerungsvermögen eines Menschen wirken weiß keiner so genau.“ „Ach du Schei... meine Erinnerungen!“ Bastian wurde schlagartig wacher. „Ich musste sie doch kosten um keine bitteren Beeren zu pflücken!“ - „Soviele werden es wohl nicht gewesen sein.“ beruhigte ihn Argos. „Auf jeden Fall sorgen diese Beeren dafür, das die Kindlichen Jäger ihre Taten verkraften können.“ „Welche Taten?“ Bastian grübelte, bis sich ihm ein grausiger Zusammenhang auftat. „Du meinst, das sie ihre Opfer in die Schlucht geworfen haben?“ „So sieht es aus.“ bestätigte Argos. „Auf dem Hinweg essen sie sie und auf dem Rückweg auch. So erscheint ihnen alles in einem guten Licht und sie haben noch nicht einmal ein schlechtes Gewissen. Und wer genug davon isst, vergisst sogar, was er getan hat.“ „Interessant.“ antwortete Bastian. Er wusste nicht so recht, ob das nun eine Gefahr darstellte, oder er das vielleicht für sich selbst ausnutzen konnte. „Vergiß es!“ bellte Argos. „Was denn?!“ versetzte Bastian ertappt. „Niemand kann das beherrschen. Sie erzeugen nur eine Illusion! Der Zauber der Beeren beherrscht DICH!“ „Ja, ja. Ist ja schon gut.“ sagte Bastian genervt. Sie hatten ihm ohnehin nicht geschmeckt. Er beschloss, sie in Zukunft zu meiden. Ihm war nicht ganz klar, ob die fünf Jungen nicht seine gesammelten Früchte längst aufgegessen hatten. Wenn ja, was konnte man in diesem Zustand mit ihnen anfangen? Die beiden Mädchen schienen sich aus dieser Geschichte vollkommen herauszuhalten. „Was esst ihr da eigentlich?“ fragte Bastian eine Weile später. „Einhorn.“ war die einstimmige Antwort. Bastian drehte sich um. Er erwartete innerlich, das Rieka irgendwo am Spieß gegrillt wurde. Doch er fand nichts dergleichen. „Willst du auch ein Stück?“ fragte Pascal und hob ein Stück noch rohes Fleisch hoch. Als Bastian es sah verlor er beinahe die Fassung. Er musste tief durchatmen, bevor er überhaupt wieder einen Gedanken hervorbringen konnte. Ihm war klar, was die Kindlichen Jäger in der Zwischenzeit mit dem Einhorn gemacht hatten. Bastian lief es heiß und kalt den Rücken herunter und eine Mischung aus Trauer und Hass schnürte ihm die Kehle zu. Bastian schluckte schwer. Er musste tun, was getan werden musste. Am liebsten jedoch wäre er weggelaufen. Opui hatte Recht. Die Kindlichen Jäger waren ein verrohter Haufen. Bastian hatte Hunger. Doch der Appetit auf Fleisch war ihm vergangen. „Habt ihr nicht noch was anderes da? Ich will nicht essen, von dem ich den Namen gekannt habe.“ Die Jungen kicherten. Natürlich gab es noch mehr zu essen. Im Gegensatz zu den übrigen Tagen war es heute geradezu ein Festessen. Aber um Bastian zu necken gaben die Jungen allen Speisen einen ihrer Vornamen. Der Brotfladen hieß nun Dirk, das Salz Noah, das kartoffelähnliche Gemüse, welches Bastian übrigens sehr gerne aß, nannten sie Bastian, und so weiter und so fort. Die Kinder schütteten sich aus vor Lachen, wenn sie solche Bitten formulierten wie „Bastian? Kannst du mir mal ein Stück von Dirk rüberreichen.“ Die Mädchen blieben still. Aus irgend einem Grund lachten sie nicht mit, beobachtete Bastian. Es blieb ihm nichts anderes übrig als die Scherze mitzumachen. Als die Jungen merkten, das ihr Spott langsam seine Wirkung verfehlte, beendeten sie ihre Bemühungen, den viel älteren Bastian aus der Reserve zu locken. Schließlich waren alle mit dem Essen beschäftigt und die spontanen Gespräche drehten sich nur noch darum. Bastian wurde wieder ruhiger. Sein Magen füllte sich und schließlich streckte er sich zufrieden aus. „Und habt ihr euch schon überlegt, was wir morgen machen?“ fragte Bastian in die Runde. „Morgen? Das gleiche wie gestern!“ Es war Dirk und es klang ein wenig zynisch. Wie eine hohle Phrase. „Und weißt du noch was gestern war?“ fragte Bastian zurück. Dirk rollte mit den Augen und schnitt eine Grimasse. Man sah ihm an, das Bastians Frage ihn mächtig nervte. Gleichzeitig holte er tief Luft. Doch bevor er Bastian mit seinem Unmut überschütten konnte, ergiff Noah das Wort. „Gestern sind wir diesem Menschen begegnet, den wir auf Bastians Wunsch wieder freigelassen haben. Und deswegen musste ich mir die ganze Nacht um die Ohren schlagen.“ Bastian war verblüfft. „Und davor?“ setzte Bastian fort „Die Tage, Monate – wisst ihr überhaupt, wie lange ihr schon hier seid?“ - Schweigen. „Merkt ihr nicht, das da was fehlt? Ist euch das völlig egal?“ „Das begreifen sie nicht.“ fiel überraschend Argos ein „Denk daran: Es sind Phantásier. Sie besitzen keine Erinnerungen. Sie existieren nur innerhalb ihrer Geschichte. Und denk an Pascal! Er ist in diesem Teil seiner Geschichte gefangen! Er kommt dort nicht von alleine heraus. Du musste es anders versuchen ihnen ihre Geschichte wiederzugeben. Denk dir was subtiles aus. Du bist der Einzige der das noch kann.“ „Argos!“ sagte Pascal plötzlich. Woher kannte er den wahren Namen des Hundes? „Ich habe sehr wohl verstanden, was du eben gesagt hast. Aber wieso soll das hier MEINE Geschichte sein? Ich bin ein Teil dieser Gruppe und kann mich nicht erinnern, das es einmal anders war.“ „Wieso verstehst du ihn auf einmal?“ fragte Bastian verblüfft. „Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, worum es in den kurzen Fetzen ging, die Argos und du miteinander gewechselt habt.“ antwortete Pascal. „Und da hast du dir gewünscht, es verstehen zu können?“ fragte Bastian, worauf Pascal bestätigte. „Und wieso ist das nun meine Geschichte?“ fragte Pascal „Warum nicht Dirk‘s oder Annika‘s? Ich verstehe das nicht! Was soll an mir so besonders sein?“ „Weil du ein Menschenkind bist.“ antwortete Bastian. Sein Gegenüber war wie vom Blitz getroffen. „Ich?“ bekam Pascal nach einer Weile heraus „Ich komme auch daher, wo du herkommst?“ „Ja, natürlich.“ antwortete Bastian. „Aber wieso weiß ich davon nichts mehr? Und warum sollst du dir was ausdenken, was stimmt denn nicht mit unserer Geschichte? Wie soll das gehen?!“ „Es passieren leider Sachen in Phantásien, die ich mir nicht einmal SELBST erklären kann. Unter anderem bleiben manche Geschichten einfach stehen. Und andere scheinen sich ständig zu wiederholen. Und wenn es Menschenkinder betrifft, dann bleiben sie eben in ihrer eigenen Geschichte gefangen. Scheint so, das sie alle Erinnerungen verlieren. Früher war das auch anders. Im übrigen – ich kann euch nicht helfen.“ endete Bastian. „Was?“ schrien fast alle gleichzeitig. „Ich habe meine Vorstellungskraft verloren. Mir fällt nix mehr ein. Deswegen wollte ich ja auch unbedingt das Buch wiederhaben.“ „Dann sind wir alle verloren – und auch du, Bastian.“ sagte Argos traurig. „Wieso?“ ergriff Annika das Wort „Wie ist das passiert? Erzähl es uns.“ forderte sie. Das war vielleicht das Beste, was sie tun konnte. Bastian stöhnte herzzerreißend und begann zu erzählen: Welchen Belastungen er als Autor ausgesetzt war, wieviel er zu schreiben hatte, der ständige Zeitdruck. Alles was in unter Druck setzte, hatte ihn schließlich komplett ausbrennen lassen. Alles war irgendwie schon mal dagewesen. Er erkannte, das sich viele Geschichten ähnelten. Dabei hasste Bastian Wiederholungen. Der ewige Kampf Gut gegen Böse, die ständigen Klischees und Stereotypien der sich in ihren Charakteren wiederholenden handelnden Personen, hatten ihn schließlich frustriert innehalten lassen. Bastian glaubte langsam einen Punkt erreicht zu haben, an dem es nichts Neues mehr geben konnte. Koreander lebte im Seniorenheim. Bastians Leben wurde fremdbestimmt von seinem Agenten und dessen Konsorten. Doch dessen Bemühungen, Bastians Leben so leicht wie möglich zu machen, kehrte sich an diesem Punkt um, erkannte er. Bastian verkümmerte. Er konnte ja noch nicht ahnen, welches System dahintersteckte. Dann hatte er jenen denkwürdigen Anruf eines alten Freundes bekommen, was ihm das Buch der Unendlichen Geschichte zurückbrachte. Seine Tabletten fielen ihm ein. Zum Glück hatte er sie abgesetzt. Schließlich hatte er die Zeit gefunden, das Buch der Bücher erneut zu lesen. Und er war unter so merkwürdigen Umständen nach Phantásien zurückgekommen, das er es gar nicht mehr erklären konnte. Er erinnerte sich aber an den Stollen, die Bilder, Lelaik und natürlich Opui. Die Bilder waren die gefrorenen Fragmente der stillstehenden Geschichten. Doch warum sie das taten war Bastian schleierhaft. Den übrigen Teil, wie den Beginn seiner neuen Reise durch Phantásien, kannten die Kindlichen Jäger bereits. „Aber mit deiner Vorstellungskraft ist doch alles in Ordnung.“ befand Annika. Bastian machte eine ablehnende Handbewegung. „Das ist was ganz anderes. Das habe ich selbst erlebt.“ - „Aber du hast es uns geschildert, dass wir alle Bilder sehen konnten. Als wären wir ebenfalls dabeigewesen.“sagte Annika. „Steht es schlimm um Koreander?“ fragte Samir. „Nein, er ist zwar schon weit über Achtzig. Aber er wird es noch eine ganze Zeit machen. Etwas einfältig war er ja schon immer.“ „Um mal auf die Diskussion mit Gestern und Morgen zurückzukommen.“ meldete sich Pascal wieder zu Wort „Angenommen, dort ist wirklich ein Stück verlorengegangen. Wie sollst du uns da helfen können? Du warst doch gar nicht dabei!“ „Das ist eine gute Frage.“ antwortete Bastian „Aber gar nicht mal so schwierig. Man muss sich dann eben etwas neues ausdenken – theoretisch, wenn einem denn was intelligentes einfällt.“ „Und das funktioniert?“ fragte Pascal skeptisch. „Früher hat es immer funktioniert. Aber mir fällt ja nichts mehr ein.“ antwortete Bastian mit ironischem Unterton. „Und wenn du es noch ein einziges Mal versuchst?Schließlich hast du es ja auch bis hierher geschafft.“ „Ich weiß nicht.“ brummte Bastian missmutig. „Komm – und wenn wir dich alle darum bitten?“ fragte Pascal wieder. Die anderen Kinder waren schon lange still geworden und lauschten der Unterhaltung zwischen Bastian und Pascal. „Ja – los.“ sagten einige jetzt, und: „Mal sehen was passiert.“ Schließlich skandierten alle ziemlich laut und begeistert „Bitte – bitte!“ Bastian war sich zuerst nicht sicher, ob sich die anderen vielleicht über ihn lustig machten. Aber weil sie hartnäckig blieben, fühlte er sich geschmeichelt. „Na gut.“ sagte er halb resignierend. Ein vielstimmiges, freudiges Gejohle setzte ein. Bastian versuchte sich zu konzentrieren. Er wusste schon eine ganze Menge über die Kindlichen Jäger. Doch würde es reichen, daraus das fehlende Stück Geschichte zu erfinden? Erwachsene machten sich über soviele Dinge Gedanken. Hatte Opui nicht dazu irgendetwas gesagt? Bastian schloß die Augen. Wo kamen die Kindlichen Jäger her? Wie sah es dort aus? Vor Bastians geistigem Auge entstand langsam ein Bild. Er musste nur noch beschreiben, was er sah. Bastian sah einen goldgelben Himmel, der alles in ein warmes Licht tauchte. Verwundert hielt er innne. Irgendwie war ihm ein ganz anderer Gedanke gekommen, als er sich ursprünglich vorgestellt hatte. Er musste sich entscheiden, diesen Gedanken festzuhalten, bevor er wieder für immer verschwand. Ihm wurde heiß und kalt und er fühlte sich wie ein Schwimmer, der sich am Rande eines tiefen Beckens abstößt, um es quer zu durchschwimmen. „Die Kindlichen Jäger stammen aus einer Welt, die der meinen zeitlich sehr weit voraus ist.“ begann Bastian. „Aufgrund eines unvorstellbar einschneidenden Geschehnisses gibt es keine Staaten und Länder mehr, wie ich sie kenne. Auf der Erdoberfläche gibt es kaum mehr ein lebendiges Wesen, da die Sonne immer stärker strahlt und alle Pflanzen verbrennt. Die Menschen und Tiere, die hier leben, halten sich tagsüber in Höhlen auf und kommen nur Nachts heraus, um zu essen und zu trinken. Einige von ihnen fanden irgendwann den Zugang zu einer unermesslich großen Höhle. Sie merkten nicht, das sie sich verlaufen hatten. Als die Neugierigen sich wieder im Freien wähnten, hatte der Himmel sich verändert. Er leuchtete golden und tauchte die Landschaft in ein wunderbares Licht. Hier wuchsen Pflanzen und lebten Tiere, die die Neugierigen niemals zuvor gesehen hatten. Da sie den Rückweg nicht mehr fanden, wanderten alle tief in dieses Paradies hinein. Nur selten verirrten sich Erwachsene in das Höhlensystem. Die meisten, die dieses Land entdeckten waren Kinder. Aber nur die, die im Dunkeln furchtlos waren. Die meisten die dort lebten, schlossen sich zu kleinen Gruppen zusammen, um sich das Leben einfacher zu gestalten. Jedoch hatten alle einen gemeinsamen Namen für das wunderbare Land, das fast nur den Kindern gehörte: Geneas. Niemand war jemals von Geneas wieder an die Erdoberfläche zurückgekehrt. So wusste niemand anderes von dessen Existenz. Die Bewohner von Geneas wussten allerdings auch nicht, das sie unter der Erde lebten. Von Zeit zu Zeit versuchten die wagemutigsten unter ihnen herauszufinden, was sich hinter den Grenzen Geneas befand. Diese wurden gebildet von schroffen Felswänden, die gewaltig bis in den golden scheinenden Himmel aufragten. Soweit war daran nichts besonderes. Doch eine Gruppe bekam irgendwann eine Eigenart Phantásiens zu spüren. So sind bestimmte Punkte in den Ländern Phantásiens zu ganz bestimmten Zeiten durch Tore oder Portale miteinander verbunden. Nur ganz wenige Phantásier konnten vorhersehen, wohin zu welchem Zeitpunkt welches Portal führen konnte. Und diesen wenigen war auch bekannt, das jeder, der solch ein Tor durchschritt, sein Leben damit nachhaltig verändern konnte. Es war sogar möglich, das man als Erwachsener ein Portal durchschritt, um es als Kind in einem völlig anderem Landstrich Phantásiens wieder zu verlassen. Anders herum ging es natürlich auch.“ Die Gruppe der Kindlichen Jäger, mit der es Bastian zu tun hatte, war, ebenso wie viele andere, in das umgrenzende Gebirge Geneas gezogen. Ohne es zu bemerken hatten sie ein Sprungportal durchquert und waren in dem Landstrich herausgekommen, wo sie viel später auch auf Bastian trafen. Zuerst hatten sie sich gewundert, empfanden sie die Schlucht ohne Wiederkehr und die angrenzende Felswüste als die Äußere Welt, von der die Älteren manchmal berichteten. Doch dann fanden sie dort undurchdringliche Wälder und fruchtbare Wiesen, genauso wie steppenartiges Land. Es gab reichlich Nahrung und so ließen sich die Kindlichen Jäger hier nieder. Doch von Anfang an wurden sie von merkwürdigen Wesen heimgesucht, die einen nach dem anderen verschleppten. Kinder, die sich standhaft zu wehren verstanden, wurden meist noch am Ort des Überfalls grausam getötet. Unter den Kindlichen Jägern wuchs Furcht und Wut. Die Mutigsten wünschten nichts sehnlicher, als einmal einem solchen Monster habhaft zu werden. Sie begannen sich Waffen auszudenken und anzufertigen, die weit über den Zweck der Jagd hinaus einsetzbar waren. Im Laufe der Zeit wurden sie exzellente Kämpfer und schließlich gelang es ihnen ein Wesen, das sie angegriffen hatte, gefangenzunehmen. Es stellte sich heraus, das es ein menschlicher Erwachsener war. Außer sich vor Wut beschlossen die Kindlichen Jäger ihn mit dem Tod zu bestrafen. Doch er sollte vor seinem Tod den schlimmsten Schrecken seines Lebens verspüren. So kamen die Kinder auf die Idee, ihn an die bodenlose, schwarze Schlucht zu führen, von der einige berichtet hatten, das es dort spuken sollte, zumindest aber ein absolut scheußliches Wesen hauste. Es war nicht das einzige Opfer, das hier aus Sicht der Kindlichen Jäger seinen gerechten Tod fand. Zuerst gab es unterschiedliche Namen für die Schlucht. Wovon sich „Schlucht ohne Wiederkehr“ durchsetzte. Mittlerweile hatte sich die Zahl der Kinder stark verringert, einige waren allein zur Schlucht gegangen, aber nie zurückgekehrt. Keiner wusste, wo die Neugierigen geblieben waren. - Und schließlich war die Geschichte der Kindlichen Jäger in der Menschenwelt in Vergessenheit geraten. Nur der Ablauf mit der Gefangennahme der Monster war so im Hirn der Menschen festgebrannt, das die Geschichte nicht einfach nur stehenblieb, sondern sich diese Sequenz ständig wiederholte. Das führte bald dazu, das die Kindlichen Jäger jeden Fremden den sie trafen, gefangennahmen und in die Schlucht warfen. Sie wussten ja nicht, das sie damit dazu beitrugen, das noch viele andere Geschichte in Phantásien stehenblieben. Sie erwischten nämlich meistens Menschenkinder, davon viele Erwachsene, die gerade erst Phantásien betreten hatten und reichlich verwirrt umherirrten. Dadurch, das sie in Phantásien starben, kehrten sie sofort wieder in die Menschenwelt zurück und konnten Phantásien anschließend nicht mehr in ihrer ursprünglichen Gestalt betreten. Pascal war der erste der diesem Ritual entging. Da er selbst kaum älter als die Kindlichen Jäger war, schaffte er es sie zu überzeugen, ihn am Leben zu lassen.Gleichzeitig mit ihm traf Argos auf die Jäger, der von weither geschickt worden war, Pascal zu helfen. Doch der machte einen entscheidenden Fehler. Er hatte das Auryn bekommen und glaubte nur etwas ausrichten zu können, wenn er der Anführer der Kindlichen Jäger sei. „In derselben Nacht verschwand Paa, der älteste der Kindlichen Jäger und Pascal verlor fast alle seine Erinnerungen. Am nächsten Morgen war der Glanz verschwunden und Pascal steckte als ihr Anführer mit den Kindlichen Jägern in der Geschichte fest. Noch sieben Tage lief die Geschichte im Kreis, wie vorher. Bis die Kindlichen Jäger auf Bastian trafen.“ Bastian atmete tief durch. Die anderen schwiegen und schauten betreten drein. „Den Rest kennt ihr ja.“ fügte er hinzu. Als das Schweigen anhielt, kamen Bastian Zweifel. War ihm die Geschichte vielleicht zu grausam geraten? Er spürte, das er sie alle tief getroffen hatte. Im Grunde wollten alle etwas dazu fragen oder sagen. Doch keiner wollte der erste sein. Und keiner wusste, welche Worte er wählen sollte. Annika war die erste, die das Schweigen durchbrach. „Du hast es geschafft.“ begann sie „Du kannst es doch. Du hast uns nicht nur die fehlenden Stücke zurückgegeben, sondern auch Ordnung in unsere chaotische Geschichte gebracht.“ „Dann haben wir sechs plus X Unschuldige umgebracht?“ fragte Ibo. Bastian fiel die Antwort sehr schwer. „Ja.“ bestätigte er schließlich. „Wir verdienen den Tod dafür! Wir werden alle gehen müssen. Alle!“ Es war Dirk, der das sagte. Bastian schoß das Blut in den Kopf. „Nein, um Himmels willen! Ihr könnt doch nichts dafür!“ „So wie du es uns erzählt hast, sind wir auch nicht besser als die, die uns angegriffen haben. So will ich nicht sein. Ich kanns nicht ertragen.“ sagte Dirk. „Aber ihr könnt doch nichts dafür, das eure Geschichte stehenblieb!“ sagte Bastian in beschwörendem Ton. „Ein unschuldiges Tier zu töten muß man vor sich selber rechtfertigen können. Man kann es, wenn man Hunger hat. Aber unschuldige Menschen zu töten, dafür kann sich niemand rechtfertigen. Auch nicht, wenn man es aus Versehen getan hat!“ antwortete Dirk. In Bastians Kopf machte sich Verzweiflung breit. Er hatte aus den vermeintlichen Fakten eine Geschichte erfunden, die vielleicht dazu führte, das sich die Kindlichen Jäger selbst auslöschen würden. Was hatte er bloß getan? „Was habe ich bloß gemacht?“ fragte er sich laut „Ich denke mir eine Geschichte aus und anschließend bringen die, die es betrifft, sich um, weil sie diese Geschichte nicht ertragen können!? Scheiße!!!“ „Bastian!“ rief Annika mahnend „ Es ist eine schöne, abwechslungsreiche Geschichte...“ - „Schöne, schaurige Geschichte...“ fiel ihr jemand ins Wort, sie ließ sich aber nicht stören und fuhr fort. „Und wir müssen damit leben lernen. Immerhin HABEN wir jetzt wieder eine Vergangenheit. Und wenn sie auch gute und schlechte Seiten hat. Es ist eben unsere Geschichte. Das wichtigste ist, das sie nicht wieder vergessen wird.“ Bastian war verblüfft. „Ihr beide habt schon Recht.“ meldete sich Pascal zu Wort „Damit haben wir das erste Mal die Chance, das unsere Geschichte weitergeht. Und letztenendes haben wir Bastian ja sogar drum gebeten. Aber was mich viel eher interessiert: Wie geht es nun weiter? Weil Noah gesagt hat, wir sollten hier schnellstmöglich verschwinden, wegen seinem fliegenden Kamikaze-Löwen?“ „Ihr werdet in eure ursprüngliche Welt zurückkehren können. Morgen wird sich die Pforte nach Geneas wieder öffnen. Argos sagte, ich würde davon träumen, wie ich euch aus eurer feststeckenden Geschichte herausführe. Dabei habe ich es längst getan. Der Eingang zur Pforte liegt in einer Höhle, deren Eingang wie das Maul eines Löwen aussieht und im Grenzgebiet zur Steinwüste liegt. Sozusagen auf halben Weg zwischen hier und der Schlucht.“ endete Bastian. Er hoffte, das sie damit langsam auf andere Gedanken kamen und es schien zu funktionieren. Es wurde beschlossen am nächsten Morgen zusammenzupacken und aufzubrechen. Bastian wollte die Gruppe bis zur Höhle begleiten. Er selbst würde anschließend allein zur Schlucht weiterziehen. Um einen Weg hinüber zu finden, wenn es überhaupt so etwas gab. Die Gespräche der Kinder drehten sich bald um andere Themen. Bastian dachte inzwischen nicht mehr an das Einhorn. Es war sehr spät als schließlich alle schlafen gingen. Die Nacht wäre ruhig verlaufen, wenn Bastian nicht durch ein fürchterliches Geschrei geweckt worden wäre. Es kam von draußen und Bastian hatte das Gefühl, als ob dort hart gekämpft würde. Nicht ganz wach, knurrend und mies gelaunt wegen der nächtlichen Ruhestörung, torkelte er hinaus und rieb sich die Augen. Doch das, was er erblickte, ließ ihn sofort vollkomen wach werden. Bastians Herz begann hart und schnell zu schlagen. Ein merkwürdiges Tier mit grauem Fell kämpfte mit einigen der Kinder. Sie hatten brennende Äste aus dem Lagerfeuer gerissen, womit sie darauf eindroschen. Das Licht des Vollmondes beleuchtete die gespenstische Szene. Bastian erkannte Pascal, Dirk und Samir. Letzterer saß abseits und hielt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht den Bauch. Sein ganzer Körper und seine Kleidung waren mit Blut beschmiert. „Was ist hier los?!“ schrie Bastian als er auf die Kämpfenden zuging. Pascal drehte sich um, weil er sich über Bastians plötzliches Erscheinen erschrocken hatte. Im selben Augenblick versetzte ihm das graue Tier mit einem seiner Flügel, die an den Enden Krallen hatten, einen Schlag, das Pascal ein paar Meter durch die Luft flog. Zum Glück stand er sofort wieder auf. Er hatte sich nicht ernsthaft verletzt. Dirk stand jetzt allein hinter der wilden Kreatur. Ehe er sich versah, wurde er angesprungen und zu Boden geworfen. Dirk schrie in Todesangst. Das Tier wandte seinen Kopf über Dirk. Anstatt eines Maules besaß es einen Geierschnabel. „Hilfe! Holt mir das Vieh weg! Hau ab!“ schrie Dirk und versuchte sich vergeblich herauszuwinden. Jeden Augenblick musste etwas furchtbar Grausames passieren. Pascal und Bastian standen wie gelähmt daneben. Das Tier öffnete den Schnabel und stieß ein kreischendes Fauchen aus. Bastian überlegte einen Augenblick wegzulaufen. „He!“ schrie er plötzlich „Lass ihn los!“ Bastian wusste selbst nicht, woher er den Mut dazu nahm. Das Undenkbare passierte. Die Kreatur ließ von Dirk ab und kam eigentümlich gurrend und schnarzend auf Bastian zu. Der bemerkte gerade noch, wie der gerade nochmal Davongekommene sich auf den Bauch drehte, zusammenkauerte und hemmungslos zu weinen anfing. Einen solchen Gefühlsausbruch hatte er Dirk eigentlich nicht zugetraut. Doch nun stand Bastian selbst Auge in Auge einer unberechenbaren Gefahr gegenüber. Im fahlen Licht konnte er nun erstmals erkennen mit was die Kindlichen Jäger da gekämpft hatten. ‚Ein Greif‘ erkannte Bastian ‚ein grauer Greif‘. Früher hatte er diese Fabelwesen und Wappentiere ab und zu gezeichnet. Jetzt stand er einem von ihnen leibhaftig gegenüber. Bastian hörte ein grimmiges Knurren neben sich. Es war Argos. Wollte er Bastian etwa verteidigen? Der wendige, kleine Hund umkreiste den Greif und versuchte ihm in die Beine zu schnappen. Der wehrte sich, schlug und trat mit Flügeln und Pranken nach dem knurrenden und bellenden Fellknäuel. Doch den flinken Argos erwischte er nicht. Schließlich schlug er einige Male mit seinen mächtigen Schwingen und erhob sich ein paar Meter in die Luft. Bastian sah hoch und blickte direkt in die Augen des Greifs. Im nächsten Augenblick passierte es: Der Greif packte Bastian an den Schultern, hob ihn hoch und schleuderte ihn so zu Boden, das er auf den Bauch fiel. Sofort war der Greif über ihm, drückte Bastian zu Boden und riss ihm mit einem einzigen Hieb seines Schnabels die Kleidung vom Rücken.. Das eingeätzte Zeichen der Schlange kam zum Vorschein. Es passierte etwas merkwürdiges. Der Greif strich mit dem Schnabel über das Zeichen. Es war, als wolle er es beschnuppern. Mit einem heiseren Schrei ließ der graue Greif Bastian los und flog davon. Der hatte währenddessen weder gewagt zu schreien noch sich zu befreien. Aber diese Wendung verblüffte alle. „Was war das denn?“ fragte Pascal. „Ein Greif.“ sagte Bastian lapidar. Argos beruhigte sich langsam und wechselte ins Hochphantásische, so das Bastian ihn wieder verstehen konnte. In der höchsten Aufregung wechselt jedes Wesen instinktiv in die Muttersprache. Doch jetzt sprudelte es nur so aus Argos heraus. „ER war es. ER war es wieder. Ich habe ihn erkannt!“ Der struppige Hund wiederholte es so oft, das er fast keine Luft mehr bekam. „Wer? Wen hast du erkannt?“ fragte Pascal. „Der zweite Fremde nach Bastian! Es – war – die – Kampfmaschine!“ hechelte Argos „ER war es! Er war es! Noah hat ihn verfolgt und nachts seine Spur verloren. Die Spuren! Er war es! Er..“ - „Nun beruhig dich!“ herrschte Pascal den Hund an. Während Bastian immer noch staunte, wie ihm geschehen war, dachte Pascal fieberhaft nach und versuchte sich einen Reim auf die Ereignisse zu machen. „Moment mal,“ sagte er nach einer Weile „es passt alles zusammen! Argos, woran hast du ihn wiedererkannt?“ - „Ich rieche es! ER war es! Sie waren es beide!“ Obwohl Argos sich kaum wieder einkriegte, musste er Recht haben. Da war sich Pascal sicher. Einer Hundenase unterlief in solchen Dingen kein Fehler. „Zuerst war er unser Gefangener.“ sinnierte Pascal weiter. „Dann haben wir ihn freigelassen weil Bastian es so wollte. Und damit er nicht auf die Idee kommt umzukehren, habe ich ihm Noah hinterhergeschickt. Und der hat dann letzte Nacht die Schreie gehört und morgens die Spuren des Löwen gesehen, die plötzlich aufhörten. Ganz einfach: Er hat sich in einen Greif verwandelt und ist weggeflogen. Und die Verwandlung muss wohl sehr schmerzhaft sein.“ „Letzte Nacht war auch Vollmond.“ sagte Bastian leicht abwesend. „Meinst du, das hat damit zu tun?“ fragte Pascal. „Es soll Menschen geben, die sich bei Vollmond in einen Werwolf verwandeln. Aber das hier war kein Werwolf.“ schloß Bastian. „Richtig.“ bestätigte Pascal „Und was hast du da hinten auf deinem Rücken? Er hat ja höchstens daran gerochen.“ Bastian musste nun doch erzählen, was ihm Opui über das Zeichen der Schlange offenbart hatte. „Irgend etwas stimmt nicht, mit deinem Zeichen. Und der Greif hat damit zu tun.“ mutmaßte Pascal. „Und wozu soll der ‚Auserwählte‘ da sein?“ - „Ich weiß es nicht! Noch nicht.“ gab Bastian zurück. Die beiden sahen sich an. Bastian fühlte sich angegriffen. „Nun sag bloß noch, der Typ hat sich nur wegen mir von euch gefangennehmen lassen.“ „Kann schon sein.“ antwortete Pascal „Hast du ihn nicht sogar wiedererkannt? Wer war das nochmal?“ - „Mein Agent. Er hat mich an meinen Agenten erinnert. Nur erinnert! Sonst nichts!“ verteidigte sich Bastian. Doch mit großem Bedauern begann selbst Argos, Bastian zu widersprechen. „Glaubst du das wirklich? Welchen Grund sollte er gehabt haben, noch einmal zurückzukehren, wenn nicht dich? Ich glaube aus irgendeinem Grund musste er sicher gehen, das du es auch wirklich bist.“ endete der Hund. „Ach, Unsinn! Was sollte der denn von mir wollen?!“ antwortete Bastian. „Und wenn es wirklich dein Agent war? Er kann wahrscheinlich auch von deiner in unsere Welt gelangen.“ gab Pascal zu bedenken. „ ‚Ein Wanderer zwischen den Welten‘.“ sagte Bastian amüsiert. Doch einen Augenblick später fand er diesen Gedanken gar nicht mehr so witzig. Ihm wurde klar, was es bedeuten konnte, wenn sich sein Agent hier in Phantásien bei Vollmond in einen riesigen, grauen Greif verwandelte. Er hätte sie alle töten können, wenn er es gewollt hätte. Doch nachdem er Bastians Zeichen gesehen hatte war er unvermittelt davongeflogen. Was hatte dieses Wesen vor? Bastian bekam das ungute Gefühl, das eine unbekannte Macht es auf ihn abgesehen hatte. Die Stärke des Greifs hatte er bereits zu spüren bekommen. Hoffentlich traf er ihn nie wieder. Er war froh den Kindlichen Jägern begegnet zu sein, bei denen er sich sicher fühlen konnte. Hatte er sie mit seiner Anwesenheit in Gefahr gebracht? Es stellte sich heraus, das die Verletzungen der Jäger nicht so dramatisch waren. Samir hatte einen Prankenhieb in die Magengegend abbekommen. Außer Kratzern und Beulen hatten sie und Bastian den kurzen Kampf relativ unbeschadet überstanden. Eine spitze Bemerkung konnte sich Bastian nicht verkneifen. „Na? Da wollte wohl einer doch noch nicht sterben? Was?“ Dirk nahm es gelassen und brummte nur ein mürrisches „Hm.“ Er war wieder ganz der Alte. „Ob das Vieh auch einen Namen hat?“ fragte Samir unvermittelt. Er hatte sich wieder aufgerichtet. Interessierte wirklich jemanden der Name dieses Wesens? Doch in Bastian legte diese Frage etwas Verschüttetes frei. Es war ein eigentümliches Gefühl, das ihn mit fester und entschlossener Stimme sprechen ließ. „Wenn ihr es darauf anlegt, das ICH ihm einen Namen gebe? Ich werde es nicht tun! Alles was keinen Namen hat, wird vergessen. Und genau das soll passieren. Soll das Ding doch da hingehen, woher es gekommen ist.“ Bastian hatte den festen Entschluss, die unbekannte Gefahr mit Ignoranz zu strafen. Sollte doch mit dem grauen Greif passieren, was allem Phantásischen geschah, wenn man es verdrängte! Das Bastian sich damit gewaltig irrte war ihm nicht bewusst. Der graue Greif hatte bereits einen Namen und stand in engerem Zusammenhang mit Bastian, als dieser ahnen konnte.Inzwischen war es bereits hell geworden. Den Beginn des neuen Tages konnte er nicht so recht genießen. Schließlich gab er sich einen Ruck und wusch sich. Als sie gemeinsam ihr Frühstück aßen wurde auch Bastian etwas von der Stimmung der Kindlichen Jäger angesteckt, die in freudiger Erwartung waren. Ausgerechnet Dinka war es, die dafür sorgte, das Bastian nicht mit zerrissenem Hemd weiterziehen musste. Seine Kleidung wurde kunstvoll geflickt. Nicht nur das, er bekam zum Abschied einen Überwurf aus festem, aber weichen Wildleder geschenkt. Man konnte ihn wie ein Sweatshirt überziehen und er passte Bastian perfekt. Ihm gefiel sein neues Kleidungstück sehr. So sah er auch optisch ein kleines bißchen denen ähnlich, deren Charakter er ein wenig – ohne es zu wissen – angenommen hatte. Es war Bastians sechster Tag in Phantásien. IX. Das Geheimnis der Schlucht ohne Wiederkehr Bastian war seit geraumer Zeit unterwegs. Er konnte nicht sagen, ob es die trostlose Umgebung war, die die melancholischen Gedanken verursachte, denen er im Gehen prima nachhängen konnte. Er hatte sich bereits ein klein wenig verändert, seit seiner Ankunft. Bastian hatte seine Neugier auf das Unbekannte wiedergefunden. Wenn auch nur beschränkt, so war das die Kraft die ihn vorwärtstrieb. Er hatte die Kindlichen Jäger verabschiedet, als er sie bis zur Pforte begleitet hatte. Der ganze Trupp war in der Höhle verschwunden. Er hatte dann mit einer Eigenschaft Phantásiens Bekanntschaft gemacht, die er nur schwer begreifen konnte und die er doch von früher kennen musste. Als schließlich Stille eingetreten war in der Höhle, konnte Bastian seine Neugier nicht unterdrücken und war auch hineingegangen. Er wollte nur bis zu der von ihm beschriebenen Pforte gehen – aber keineswegs weiter. Nur um zu sehen, ob es tatsächlich auch so war, wie er vorausgesagt hatte. Doch er stellte fest, das die Höhle komplett leer war und nach einer Weile blind endete. Bastian tastete sich extra mit einem Stock vorwärts, um nicht in das Loch zu fallen, welches er dort zu finden glaubte, wo Leo hineingefallen war. Nichts von dem fand er. Er begriff, das er die Pforte nicht für sich geöffnet hatte. Das Land, in das sie führte, hatte er den Kindlichen Jägern vorbehalten. Ohne Zweifel mussten sie dort angekommen sein. Doch Bastians Weg war ein anderer. So konnte er ihnen nicht folgen. Die Kindlichen Jäger erregten in ihrer Welt noch großes Aufsehen. Sehr viel später, als Pascal längst in seine Welt zurückgekehrt war, wussten sich deren Heldentaten auch die anderen Völker Phantásiens zu berichten. Doch das ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden. Bastian stolperte. Kein Wunder, sein Weg – mit gutem Willen konnte man Weg dazu sagen – führte ihn entlang des Abgrundes über Felder aus grobem Schotter und bizarr geformten Felsbrocken. Er hielt respektvollen Abstand zur Kante. Auf keinen Fall wollte er dort hineinfallen. Durch den leisen Schreck war seine Aufmerksamkeit wieder vollständig auf den vor ihm liegenden Weg konzentriert. Er erreichte ein kleines höherliegendes Plateau. Der Boden war glatt und Bastian blieb stehen, um ein wenig zu verschnaufen. Die Sonne brannte unbarmherzig und machte das Gehen und Klettern anstrengend. Er schwitzte. Gab es diesen Weg über die Schlucht überhaupt? Wo eigentlich befand er sich selbst? Resignation ließ Bastians ohnehin schwachen Antrieb noch schwächer werden. Abschätzig blickte er in die pechschwarze Tiefe des Abgrundes. Diese hatte irgendetwas Magisches an sich, was Bastian nicht beschreiben konnte. Nein! Dort hineinfallen oder gar – springen wollte er auf gar keinen Fall mehr! Wäre doch gelacht, wenn er mit seiner Reise nicht selbst fertig würde. Souverän wie ein Erwachsener würde er sich notfalls auch allein durchschlagen. Sein Blick fiel wieder in die bodenlose Tiefe und er sah sehr weit unten ein weißes Wölkchen aufsteigen. „Sieh an, Erdwärme gibt‘s hier also auch?“ sagte Bastian belustigt und drehte sich um. Er schenkte dem keine weitere Beachtung und ging weiter. Bastian hatte ein Ziel zu verfolgen. Wäre er nur nicht so ignorant gewesen und hätte sich wieder umgedreht! Ein vielstimmiges, unmerklich anschwellendes Summen ertönte hinter Bastians Rücken. Ihm kam dieses Geräusch seltsam bekannt vor. Das Summen ging durch Mark und Bein und Bastian lief es bald kalt den Rücken herunter. Er blieb stehen und drehte sich ruckartig um. „Ygramul!“ schrie er entsetzt. Er brauchte eine Sekunde, um das zu können. Denn das was er sah, nahm ihm seinen ganzen Mut. Natürlich kannte er dieses Wesen, welches er in seiner Kindheit als Scheußlichstes kennengelernt hatte, das in Phantásien zu finden war. Niemals, niemals – nie und nimmer wollte er diesem Wesen begegnen. Noch war Ygramul beim Sammeln und Näherkommen. Ihre Form war noch nicht ganz auszumachen. Auf jeden Fall war es jetzt schon eine riesige, haushohe Wolke eines gefährlich klingenden Hornissenschwarmes. Bastian stand wie gelähmt. Sein schlimmster Albtraum war Realität geworden. Realität? „Du hast mir gerade noch gefehlt!“ sagte Bastian mehr zu sich selbst. Langsam konnte er ihre Gestalt erkennen, zu der sich die Einzelwesen formierten und er verkrampfte. Bastian mochte nicht, wenn er von mehreren Leuten beglotzt wurde. Und Ygramul bestand aus unzähligen, weit aufgerissenen, menschlichen Augäpfeln. Bastian konnte es nicht fassen. Er wusste nicht welche Stelle er fixieren und ansprechen sollte. Überall waren Millionen, nein Trilliarden Augen. Bastian fühlte sich förmlich in der Luft zersäbelt und unendlich hilflos. „Bastian Balthasar Bux? Was für eine große Ehre für Ygramul.“ tönte es plötzlich von allen Seiten. Ygramuls Stimme war ein furchtbar betonungsloses vielstimmiges Sirren. Sie schien mit den Flügeln ihrer Einzelwesen zu sprechen. „Ygramul! Hau‘ ab, ich will nichts von dir. Ich wünschte mir, ich wäre dir nie begegnet.“ Das ‚du Scheusal‘ verkniff er sich. Er wollte Ygramul nicht unnötig beleidigen, wer weiß, wie sie darauf reagierte? „Du wünscht es dir? Dann hättest du dir das früher wünschen müssen!“ Es ertönte ein eigentümliches Zirpen und Fiepen. Ihm war, als würde Ygramul lachen. „Es ist eine große Ehre für Ygramul, schließlich doch noch denjenigen zu treffen, um den sich so viele Legenden ranken, wie den Retter von Phantásien. Ygramul, die Viele, hat lange gewartet und nun wurde ihre Geduld belohnt.“ - „Und was willst du mit mir machen? Willst du mich etwa beißen?“ fragte Bastian nicht ohne Hintergedanken. Die Antwort kam erst eine Weile später, als ob die Viele erst überlegen musste. „Nein. Obwohl es in der Silberstadt niemanden gibt, der dich von meinem Gift erlösen könnte. Du stehst nicht unter dem Schutz des Auryns. Ygramul spürt, das du es nicht bekommen hast. So wird sich auch mit dir die Prophezeihung erfüllen, wie sie sich mit jedem erfüllt, der auf sie trifft.“ „Du meinst,“ Bastian musste schlucken „das jede Begegnung mit euch immer tödlich verläuft?“ „Exakt das beschreibt Ygramuls Wesen.“ Bastian erschrak noch mehr. Er begriff, das er dem Tode geweiht war. Und das jetzt, wo es gerade langsam losging mit seiner Reise. „Du wirst doch wohl nicht den Retter...“ Bastian drehte sich um und sah das Ygramul ihn eingeschlossen hatte. Er befand sich in der Mitte und die Einzelwesen schwirrten in einem Meter Abstand um ihn herum. In seiner äußersten Verzweiflung stieß er eine wüste Drohung aus. „Ygramul! Lass mich sofort los! Oder ich sorge dafür, das man dich vergessen wird!“ Statt einer Antwort spürte er, wie er sanft in die Luft gehoben wurde. Bastian sah ein, das es völlig sinnlos war, Ygramul zu drohen. Die Viele begann sich zu bewegen. Er ahnte wo es hingehen sollte. „Tu es nicht!“ schrie er und versuchte sich mit Händen und Füßen aus dem Schwarm heraus zu wühlen. Doch da die Einzelwesen ihn alle gemeinsam in der Schwebe hielten, brauchten sie seinen Hieben nur auszuweichen und Bastian überschlug sich einmal in der Luft. Er blieb mit dem Kopf nach unten hängen und sah das dort die Einzelwesen nicht ganz so dicht flogen, so das er aus dem Schwarm heraussehen konnte. Sie hatten die Kante bereits überschritten. Unter ihnen gähnte die Schlucht. Ygramul wollte offenbar bis zur Mitte. „Nein!“ schrie Bastian wieder „Das darfst du nicht! Ich bin doch der Retter!“ - „Ob Phantásiens Retter – oder nicht, Ygramul tut ihre Pflicht.“ summte es von allen Seiten. „Nein! Ich bin doch der Auserwählte! Sieh das Zeichen auf meiner Schulter!“ „Nun, Ygramul ist nicht blind. Natürlich haben wir das Signum gesehen. Aber es verleiht dir keine Macht, die über der Unsrigen steht. Ygramul wird allerdings stolz sein, dem Auserwählten begegnet zu sein.“ „Das du mich umgebracht hast? Schäm dich! Schande! Schande!“ schrie Bastian. Tiefe Resignation hatte sich seiner bemächtigt. Er war unglaublich traurig, das seine Reise schon hier ihr Ende finden sollte. Offenbar war das nicht mehr zu ändern. Sein früheres Ziel irgendwo herunterzuspringen und zu sterben, um es allen zu zeigen, welchen Verlust sie an ihm hatten, war nun das Verabscheuungswürdigste überhaupt. Er wollte leben – um jeden Preis am Leben bleiben. „Nun ist es Zeit Abschied zu nehmen, Bastian Balthasar Bux. Man wird sehr stolz auf Ygramul sein, das auch der Retter von Phantásien nichts an den Legenden ändern konnte. Trotzdem werde ich dir erlauben, einen letzten Wunsch zu äußern.“ Bastian überlegte fieberhaft. Ihm fiel nichts ein, was seine Lage entscheidend hätte ändern können. In den Büchern gelang es den Helden immer vortrefflich die Monster hinters Licht zu führen. Nur, ihm fiel nichts sinnvolles ein. Er hätte fast, in einem grenzenlosen Anfall von Sarkasmus „Dann bring mich doch nach Amarganth!“ geschrien. Aber er wusste, das dieser Wunsch Ygramuls Wesen entgegengestanden hätte und sowieso nie erfüllt worden wäre. „Ich will nicht sterben!“ schrie Bastian so laut er konnte. Er hatte den Satz kaum beendet, da ließ Ygramul ihn los. Bastian begann mit einem fürchterlichen Schrei in die Tiefen zu fallen. Er schloss die Augen und brüllte bis er keine Luft mehr hatte. Der Wind begann in seinen Ohren zu brausen und durch den freien Fall schoss ihm das Adrenalin ins Blut. Sein Schicksal schien besiegelt. Er bekam das Gefühl, als würde der tosende Wind ihm alle Gedanken aus dem Kopf blasen. Bis zum Schluß etwas übrigblieb, das man entweder als Angst oder bange Hoffnung beschreiben kann. Er hatte längst keine Luft zum Schreien mehr. Und doch atmete er. Obwohl die Geschwindigkeit seines freien Falls immer noch zunahm, schien nichts zu passieren. Dabei war Bastian völlig klar, was irgendwann kommen musste. Seitlich von irgendwoher schoss plötzlich eine weiße Stichflamme unter Bastian. Ehe er sich‘s versah schlug er unsanft auf und spürte, das er seitlich weggerissen wurde. Sein Fall war vorläufig gestoppt. Was war das? Hatte Ygramul immer noch nicht genug? Doch dann hörte er die Viele aus einiger Entfernung über sich grollen. „Das war pures Glück, Bastian Balthasar Bux!“ Eine tiefe, bronzene Stimme gab zurück „Glück gehört zum Leben!“ - „Fuchur!“ schrie Bastian. Es war das Einzige, wozu er in der Lage war, denn er hatte sich instinktiv mit Händen und Füßen in dessen Fell festgekrallt. „Halt dich gut fest. Noch sind wir nicht in Sicherheit.“ Fuchur flog, als kämpfte er mit der umgebenden Luft. Er ließ sich fallen, flog Bögen, Wendungen und Loopings und drehte sich von Zeit zu Zeit um – wo er Ygramul vermutete. Er hatte bereits vor langer Zeit Bekanntschaft mit der Viele gemacht und damals nur überlebt, weil zufällig ein kleiner Junge mit Namen Atréju des Weges kam. Dieser trug Auryn. Doch der Erwachsene, den der Glücksdrache gerade vor dem sicheren Tod bewahrt hatte, trug es nicht. Fuchur hatte Bastian noch nicht erkannt, er machte sich zu Recht viel mehr Sorgen um die Flucht. Kaum einem Wesen gelang die Flucht vor Ygramul. Es waren so wenige, das es gerademal zur Legendenbildung um ihre Existenz ausreichte. Der Viele durch Geschwindigkeit zu entkommen war nämlich absolut unmöglich. Man musste Ygramul schon sehr geschickt überlisten, um zu überleben. Inzwischen war Fuchur mit Bastian schon sehr hoch aufgestiegen. Immer noch verfolgt von einem zornigen, vielstimmigen Summen. Fuchur begann plötzlich steil noch oben zu fliegen, bis er fast senkrecht in den Himmel stieg. „Fuchur! Was tust du da? Du wirst uns beide umbringen! Du kannst nicht ewig so weitersteigen!“ schrie Bastian. „Wart‘s ab, du musst mir nur vertrauen.“ antwortete der Glücksdrache. Bastian ahnte, das Fuchur irgend etwas vor hatte. Es war bereits empfindlich kalt. Bastian spürte, das sich Fuchurs Steigflug ständig verlangsamte. Schließlich blieb er stehen, drehte seine Schnauze Richung Erde und ließ sich fallen. „Fuchur, was soll das?!“ rief Bastian entsetzt. Denn sie rasten immer schneller auf die Viele zu, die die Beiden in Form einer Kugel verfolgt hatte. „Bist du übergeschnappt? Die wird uns beide umbringen.“ „Sie wird es wollen. Aber sie kann sich nicht zerteilen. Einzeln kann sie uns nichts tun.“ sagte Fuchur. „Was?“ schrie Bastian ungläubig. „Stoß‘ dich kräftig ab! Ich links, du rechts vorbei!“ bat Fuchur. „Was???“ wiederholte Bastian noch entsetzter. „Vertraue mir. Stoß‘ dich ab. In der Finsternis des Abgrunds treffen wir uns wieder. Dort wird sie nicht nach uns suchen. Beeil dich! Gleich ist es zu spät.“ Bastian stieß sich mit aller Kraft von Fuchurs Rücken ab. Pfeifend wie ein Geschoss flog in der Mitte zwischen ihnen Ygramul vorbei. Die tiefe Schwärze des Abgrundes kam wieder näher und Bastian hatte die gleichen Angstgefühle wie vorhin, bevor er auf Fuchur gestoßen war. „Du kannst die Augen wieder aufmachen, Bastian.“ - „Fuchur. Mein Gott – unser Fuchur.“ seufzte Bastian. Sie waren tatsächlich unversehrt entkommen und hatten die Steinwüste weit hinter sich gelassen. „Ich bin so froh, das du gekommen bist. Dich schickt wirklich der Himmel.“ sagte Bastian. „Das Glück – nicht der Himmel. Es war wirklich Glück. Es widerfährt dem, der es verdient hat.“ korrigierte Fuchur. „Meinst du damit, das es purer Zufall war, das du mich retten konntest?“ fragte Bastian etwas aufgebracht. „Bastian!“ Fuchurs Stimme klang ein wenig vorwurfsvoll. „Glück ist kein Zufall.“ Nach einer Weile fragte Bastian neugierig: „Woher wusstest du, das das funktionieren würde?“ Fuchur schmunzelte weise und fragte zurück: „Wie fängt man Fliegen?“ - „Was soll die Frage? Mit beiden Händen. Warum...?“ Bastian begriff plötzlich, worauf Fuchur hinauswollte. Fuchur lachte leise. Bastian war so verblüfft, dass er kein Wort mehr herausbekam. Es war wohl doch ganz gut, ein Erwachsener zu sein. Das hatte sie beide jedenfalls gerettet. „Ich bin froh das ich dich wiedertreffe, Bastian. Ich hätte nicht gedacht, das das so bald ist.“ sprach Fuchur nach einer Weile weiter. „Was?“ fragte Bastian erstaunt und wühlte in seinen Erinnerungen. Meinte er diesen Traum? „Mit Atréju?“ fragte er mehr für sich „Zusammen?“ „Genauso war es.“ Fuchur hielt inne, doch Bastian schwieg. „Du hast es schon fast vergessen.“ sagte Fuchur traurig. „Du warst so lange, lange Zeit nicht hiergewesen. Und nun sehe ich dich in kurzer Zeit zum zweiten Mal wieder.“ „Es hat sich viel verändert in meiner Welt.“ antwortete Bastian „Und eigentlich gibt es einen ganz anderen Grund, weshalb ich wieder hergekommen bin.“ Bastian schwieg. Sicherlich würde Fuchur ihn gleich fragen. Doch weil der keine Anstalten machte, setzte Bastian nach einer Weile von allein fort. „Ich habe meine Einbildungskraft verloren.“ Bastian merkte, das der Glücksdrache sich erschrocken hatte. „Das ist schlimm. Aber du bist hier. Also kann es um deine Enbildungskraft nicht so schlecht stehen.“ „Hm, möglich.“ brummte Bastian. Bis jetzt hatte er sich wie selbstverständlich an der langsam unter ihnen dahinziehenden Landschaft erfreut. Jetzt kam ihm erstmals der Gedanke, wohin sie überhaupt flogen. Doch vorher musste er noch etwas anderes loswerden. „Fuchur, ich muss dich mal was fragen!“ bat Bastian. „Nur zu.“ war die Antwort. „Ich habe Auryn nicht bekommen.“ Bastian kam ins Stocken. „Ich überlege gerade, alles was ich bis jetzt erlebt habe war im Grunde lebensgefährlich. Die weiße Schlange, die Kindlichen Jäger und jetzt Ygramul. Sind das die großen Gefahren, denen jeder ausgesetzt ist, der den Glanz nicht trägt? Du trägst doch auch kein Auryn! Dir passiert doch auch nichts!“ - „Nein.“ Fuchur schmunzelte. „Phantásien ist so sicher oder gefährlich, wie man es sich vorstellt. Und Auryn darf immer nur einer tragen. Wenn alle Menschenkinder eines hätten, dann wäre es ja nichts besonderes mehr.“ sagte Fuchur. „Dann bin ich wohl wirklich nichts besonderes mehr.“ fühlte sich Bastian bestätigt. „So darfst du nicht denken, Bastian.“ sagte Fuchur. „Auch du bist etwas besonderes – wie jedes Menschenkind.“ „Ach, und warum?“ „Na, zum Beispiel reitest du gerade auf einem Glücksdrachen.“ Was für ein Gedankensprung! Bastian lächelte. Fürwahr – auf einem Glücksdrachen, einem der seltensten Tiere Phantásiens, zu reiten, das war schon etwas besonderes. Und dann war es auch noch Bastians alter Freund Fuchur. „Alles wird gut, Bastian. Mit einem Glücksdrachen an deiner Seite kann dir schon fast nichts schlimmes mehr passieren. Mach dir keine Sorgen wegen deiner Einbildungskraft. Dafür wird sich eine Lösung finden. - Hast du eigentlich schon ein Ziel?“ fragte Fuchur plötzlich. „Ein Ziel? Was für ein Ziel?“ fragte Bastian irritiert. „Wo es jetzt hingehen soll!“ half ihm Fuchur auf die Sprünge. „Ach so, nach Amarganth. Mal sehen, ob die ‚Bastian Balthasar Bux – Bibliothek‘ noch steht.“ Das war sein erstes Ziel. Er hatte noch viele andere Ziele inzwischen und große Angst, eines davon zu vergessen. Doch Amarganth war erstmal das Wichtigste. Fuchur schmunzelte ein wenig über den ironischen Unterton in Bastians letztem Satz. „So sei es, Bastian. Der Wille meines Herrn und Reiters ist mir Befehl.“ endete der Glücksdrache. Die beiden, oder besser Fuchur mit dem auf ihm reitenden Bastian, machten sich auf den Weg in die Silberstadt. Bastian konnte nicht ahnen, das ganz in der Nähe der Schlucht ein Wesen zurückgeblieben war, dessen Existenz er bereits erfolgreich verdrängt hatte. Keiner wusste, wer dieses Wesen wirklich war, und wer oder was ihn so handeln ließen, wie es es tat. Und doch hatte dieses dunkle Geschöpf einen Namen. Von den Halbwesen wurde es, das sich bei Vollmond in einen Grauen Greif verwandelte, respektvoll Kúdah genannt. Es war wie Bastian ein Wanderer zwischen den Welten und doch konnte niemand genau sagen, ob Kúdah nun ein Mensch oder ein Phantásier sein mochte. Es stimmte, Kúdah war in der Menschenwelt identisch mit Bastians Agenten und Manager, Herrn Leonhard. Die dunklen Mächte der Großen Leere hatten mit ihm Zugriff auf die reale Welt des Bastian Balthasar Bux erlangt. Kúdah hatte sich in derem Auftrag hinter Bastians Rücken mit allen Kräften bemüht, dessen Rückkehr nach Phantásien für alle Zeiten unmöglich zu machen. Nur unbewusst hatte Bastian diesen Plan durchkreuzt. Er hatte nicht die geringste Ahnung, was ihm noch alles bevorstand, ehe er in seine Welt zurückkehren konnte... |
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